Tiefe Hirnstimulation

Westerwaldklinik Waldbreitbach

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Therapiekonzept zur Rehabilitation von Patienten mit tiefer Hirnstimulation (THS)


Schematische Darstellung des Prinzips der tiefen Hirnstimulation (Deep Brain Stimulati-on=DBS) beim Morbus Parkinson (Bildquelle: Medtronic GmbH)

Die tiefe Hirnstimulation (THS) ist ein mittlerweile etabliertes und auch für bestimmte Indikationen, wie den essentiellen Tremor, den Morbus Parkinson und die Dystonie zugelassenes Therapieverfahren. Dabei werden neurochirurgisch stereotaktisch geführt spezielle Elektroden millimetergenau in Zielpunkte des Gehirns platziert und über unter der Haut liegende Kabel mit einem Impulsgeber, der ähnlich wie ein Herzschrittmacher meistens unter dem Schlüsselbein implantiert wird, verbunden. Durch kontinuierliche Stromreizung des Zielgebiets im Gehirn können so die Symptome von verschiedenen Bewegungsstörungen erheblich gemindert werden. Die tiefe Hirnstimulation ist in jedem Fall ein symptomatisches Therapieverfahren, d. h. eine Heilung der zugrundeliegenden Grunderkrankung ist hierdurch nicht möglich.

Die tiefe Hirnstimulation zur Behandlung von Rehabilitanden mit Morbus Parkinson und einem sogenannten L-Dopa-Langzeitsyndrom, deren medikamentöse Einstellung mit den heute zur Verfügung stehen­den Parkinsonmedikamenten nicht mehr befriedigend möglich ist, ist ein zugelassenes und mitt­lerweile etabliertes Therapieverfahren, dessen klinische Wirksamkeit in klinischen Studien nachgewiesen werden konnte.

Neben dem Actva™ System und dem Percept™ PC Neurostimulator der Firma Medtronic können in der Westerwaldklinik Patienten mit dem Vercise Gevia System™ der Firma Boston Scientific und das Infinity™ System der Firma St. Jude Medical behandelt werden. Neben einer Besserung der Parkinsonsymptomatik konnte außerdem in drei multizentrischen Studien gezeigt werden, dass die chronische Tiefenhirnstimulation auch die Lebensqualität der Rehabilitanden im Vergleich zur rein optimalen medikamentösen Therapie verbessert.

Entscheidend für ein gutes Therapieergebnis sind eine optimale Selektion der für einen stereotaktischen Eingriff in Frage kommenden Patienten, eine optimale Platzierung der Sti­mulationselektroden in den Zielpunkt durch einen erfahrenen Operateur sowie eine postoperative und interdisziplinäre Nachbetreuung durch einen in der Tiefenhirnstimulation erfahrenen Neurologen in der Zusammenarbeit mit einem Therapeutenteam.

Dieses Konzept lässt sich am ehesten im Rahmen eines unmittelbar postoperativ folgenden stationären Aufenthaltes in einer neurologischen Rehabilitationsklinik umsetzen. Im Rahmen eines im Normalfall drei- bis vierwöchigen stationären Re­habilitationsaufenthaltes erfolgt zum Einen die Austestung der Stimulationsparameter mit dem Ziel der für den Rehabilitanden optimalen Einstellung bei gleichzeitiger Anpassung der Par­kinsonmedikation und andererseits begleitender Physiotherapie und Sporttherapie, Ergothe­rapie, Sprechtherapie, Neuropsychologie und physikalischen Therapiemaßnahmen.


Beschreibung der einzelnen Bausteine, Aufgaben und Ziele des postoperativen interdisziplinären Behandlungskon­zeptes:


Ärztliches postoperatives Management:

•  Hardwareüberprüfung (Impedanzprüfung)
•  Überprüfung der Lage der Elektroden über klinische Effekte
•  Austestung des jeweils besten/effektivsten Pols (für jede Körperseite getrennt)
•  Beginn der chronischen Stimulation (Effekte jeweils für jede Körperseite getrennt beeinflussbar)
•  Anpassung der Parkinsonmedikation (initial L-Dopa Monotherapie)

Neben einer ausführlichen, postoperativen Austestung der einzelnen Pole der Stimulati­onselektroden (jeweils 4 Pole auf jeder Seite) täglich im Rahmen einer regelmäßigen (u.U. täglichen) „Stimulationsvisite“ muss die Einstellung der Stimulationsparameter ärztlicherseits abhängig vom klinischen Effekt angepasst werden.

Die Dauer dieser komplizierten Einstellungsphase liegt in der Regel bei ca. 3 - 4 Wochen, manchmal auch länger, u. a. aufgrund des sog. „Setzeffektes“, der gerade zu Beginn postoperativ die Findung einer optimalen Einstellung zunächst erschweren kann.

Darüber hinaus bestehen unmittelbar postoperativ zunächst weiterhin starke „On-Off Fluktuatio­nen“, d. h. unvorhersehbare Phasen guter und schlechter Beweglichkeit mit den entspre­chenden Einschränkungen im Alltag, insbesondere in den Aktivitäten des täglichen Lebens (ADL).

Physiotherapie - indikative Aufgabenstellung:
• Korrektur von Sitz und Haltung
• Verbesserung von Gleichgewicht und Feinmotorik
• Gangschulung zur Verlängerung des Schritts, Normalisierung der Gangspur, Schulung des 
  Richtungswechsels, Üben von Engpasssituationen, Besserung des Treppensteigens, Erhöhung der
  Bewegungsamplitude durch LSVT-BIG®-Therapie durch zertifizierte Therapeuten
• ADL-Training zur Verbesserung der Mobilität
• Laufbandtherapie zur Einübung des „freien Gehens“
• Vermittlung von Hilfsstrategien (Trickmanöver) zur Überwindung von Starthemmung von „Freezing-
   Phänomen“ (z. B. motorische Manöver und externe Stimuli)
• Therapeutisches Schwimmen
• Tonisierung der Muskulatur
• Schulung von Körperwahrnehmung und Sensibilität
• Therapie der posturalen Störung mit Gleichgewichtstraining und z. B. „Schubstraining“ nach Jöbges et al.
  mit dem Prinzip der repetitiven Destabilisierung
• Hilfsmittelerprobung zur Verbesserung der Mobilität (wie z. B. Gehstock, Rollator, Rollstuhl, Orthese)
• Reduktion von Schmerzen
• Behandlung orthopädischer Beschwerden

Ergotherapie
• Maßnahmen zur Verbesserung der Feinmotorik
• Verbesserung der ADL-Funktionen
LSVT-BIG®-Therapie durch zertifizierte Therapeuten
• Erarbeitung von Kompensationsstrategien
• Hilfsmittelerprobung

Sporttherapie
• Förderung der emotionalen Stabilität und Leistungsfähigkeit
• Förderung der körperlichen Belastbarkeit: Verbesserung von Kraft, Ausdauer und Beweglichkeit
• Verbesserung von koordinativen Fähigkeiten
• Minderung gesundheitsrelevanter Risikofaktoren
• Reduktion depressiver Verstimmung (regelmäßige Endorphinausschüttung z. B. durch Gymnastik,
  Schwimmen)


Physikalische Therapie:
• Massagen
• Wärmetherapie
• Balneotherapie


Sprachtherapie
Durch die Parkinsonkrankheit besteht bei vielen Rehabilitanden eine Dysarthrophonie mit beeinträchtigter Kommunikationsfähigkeit. Es gibt sehr unterschiedliche Beobachtungen zur Beeinflussung des Sprechens und der Stimme durch die chronische Tiefenhirnstimulation im Bereich des Nucleus subthalamicus (STN-Stimulation). Es werden sowohl positive als auch negative Veränderungen der Dysarthrophonie, aber auch eine fehlende Beeinflussung des Sprechens durch die Stimulation beschrieben.

Sprachtherapeutische Therapieansätze sind:
• Lee-Silverman-Voice-Treatment (LSVT-LOUD®) durch zertifizierte Therapeuten
• Fazialistraining zur Verbesserung der Mimik


Neuropsychologie
Bei den meisten Parkinsonpatienten lassen sich im Verlauf der Erkrankung kognitive Defizite feststellen. Hierbei sind insbesondere die Exekutivfunktionen betroffen, d. h. die Fähigkeit, Handlungen zu planen und auszuführen, aber auch die Flexibilität, sich auf veränderte Situationen einzustellen. Auch bestehen häufig Auffas­sungsstörungen und Aufmerksamkeitsstörungen sowie Orientierungsstörungen.

Umso wichtiger sind eine neuropsychologische Diagnostik und ggf. eine neuropsychologische The­rapie, insbesondere postoperativ können zudem psycho-soziale Probleme mit sozio-familiä­ren Anpassungs-störungen und Rollenkonflikten mit Angehörigen auftreten, die eine psycho­logische Beratung erforderlich machen können.



Pflege
Nach den Richtlinien der Deutschen Parkinson Gesellschaft (DPG) und der Deutschen Parkinson Vereinigung (DPV). Ausgebildete Parkinson Nurses führen eine Parkinsonsprechstunde durch, begleiten die Parkinson Patienten durch den Aufenthalt und führen bei Bedarf Schulungen durch (z. B. für die Bedienung des Patentenhandgerätes zum An-/Ausschalten des Stimulators bzw. zur selbständigen Änderung der Stimulationsparameter.


Die Rehabilitation des operierten Patienten mit idiopathischem Parkinsonsyndrom im multidisziplinären Team.

Zusammengefasst muss der operierte Parkinsonpatient wieder lernen, mit dem für ihn neuen Zugewinn an Beweglichkeit im Alltag zurechtzukommen. Vieles ist dabei durch eine gleich­bleibend gute Beweglichkeit, ein Höchstmaß an Unabhängigkeit mit Verbesserung der Teilhabe im gesamten Tagesverlauf zu erzielen.

Dieser postoperative Erfolg ist abhängig von einer interdisziplinären Zusammenarbeit zwischen Ärzten, Pflegepersonal und Therapeuten.

Aufgrund der offensichtlichen Intensität und Komplexität der Rehabilitation von Patienten mit tiefer Hirnstimulation kann eine Behandlung dieser Rehabilitanden i. d. R. nur in einer spezialisierten Rehabilitations-einrichtung mit einer entsprechenden Expertise für die tiefe Hirnstimulation bei Bewegungsstörungen durchgeführt werden, die in der Westerwaldklinik gegeben ist.