Therapie der Spastizität

Westerwaldklinik Waldbreitbach

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Therapie von Spastizität Interdisziplinäres Therapiekonzept


Die nachhaltige und effektive Behandlung von Spastizität als Folge verschiedener neurologischer Erkrankungen (Hirninfarkt, Hirnblutung, Schädel Hirn Trauma, Hirnentzündung usw.) ist trotz der wesentlichen Fortschritte in der Behandlung neurologischer Erkrankungen eine große Herausforderung, der wir uns in der Regel in der Phase der Rehabilitation dieser häufig schwer betroffenen Patienten stellen müssen. Unter Spastizität als ein Merkmal des sogenannten Upper Motor Neuron Syndromes (UMNS nach Young) versteht man nach der noch gültigen Definition von Lance aus dem Jahre 1980 eine krankhafte Zunahme der Muskelaktivität mit einem veränderten Muskeldehnungswiderstand. Beim Schlaganfall, der häufigsten Diagnose, die zu einer Neurologischen Rehabilitation und einer z. T. erheblichen Einschränkung von Aktivität und Teilhabe führt, kommt es bei 24% bereits in der ersten Woche nach dem Ereignis zu einer spastischen Tonuserhöhung in den betroffenen Extremitäten. Bei 19 bis 38% der Schlaganfallpatienten entwickelt sich eine Spastizität unterschiedlichen Ausmaßes im ersten Jahr nach dem Schlaganfallereignis. Bei der zweithäufigsten neurologischen Erkrankung, die zu einer Rehabilitation zu Lasten der Rentenversicherungsträger führt, der Multiplen Sklerose, kommt es nach neueren Untersuchungen sogar bei 80% der Betroffenen zur Ausbildung einer Spastizität im Verlauf. Dadurch können u. a. typischerweise Schmerzen, eine Veränderung der elastischen Eigenschaften der Muskulatur, abnorme Gelenkfehlhaltungen mit Einsteifung der Gelenke (Kontrakturen) und pflegerische Probleme mit Komplikationen (z. B. Pilzbesiedlung, Druckgeschwüre) auftreten. Auch die Funktion der Extremitäten kann hierdurch häufig erheblich eingeschränkt sein. Deshalb ist eine möglichst frühzeitige adäquate Spastikbehandlung in einem spezialisierten, interdisziplinären Team, bestehend aus Arzt (Neurologe, Neurochirurg, Unfallchirurg/Orthopäde) Pflege, Ergo- und Physiotherapeuten der heutige Therapiestandard anzustreben.

Eine nicht oder unzureichend behandelte Spastik führt nicht nur zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Lebensqualität der Betroffenen, sondern auch zu erheblichen Folgekosten.


Modifiziert nach Noth: Leitlinien für die Diagnostik und Therapie in der Neurologie

Die Therapie der Spastizität ist lediglich symptomatisch und bislang leider nicht ursächlich möglich. Sie ist abhängig davon, ob sie lokal begrenzt ist oder ob mehrere Extremitäten von der Spastizität betroffen sind. Grundlage jeder Spastiktherapie bilden die Physiotherapie und Ergotherapie.

Vor Beginn einer solchen Behandlung im Rahmen eines stationären Rehabilitations­aufenthaltes sollten mit dem Patienten und seinen Angehörigen realistische Ziele wie z. B. eine Verbesserung des Transfers, eine Schmerzreduktion, die Pflegeerleichterung oder in Einzelfällen auch eine funktionelle Verbesserung besprochen und festgelegt werden.

Im Mittelpunkt einer Spastiktherapie stehen die physio- und ergotherapeutischen Maßnahmen, die in der Westerwaldklinik v. a. nach dem sogenannten Bobath-Konzept durchgeführt werden. Zusätzlich können neben dehnenden Maßnahmen zur Verlängerung der verkürzten Sehnen und Muskeln sogenannte redressierende Maßnahmen wie z. B. Splinting (Schienenversorgung), Taping (Klebebandanwendung), Casting (Gipsanlage) Anwendung finden. Außerdem kommen unterstützend - je nach individueller Verteilung der Spastik - unterschiedliche medikamentöse Möglichkeiten, wie z. B. eine systemische Therapie mit Tabletten, wie z. B. Baclofen oder Tizanidin, eine lokale, ultraschall- oder EMG-kontrollierte Injektionstherapie mit Botulinum Toxin A oder bei schwerster, ansonsten therapieresistenter Spastik eine intrathekale (d. h. im Spinalkanal direkt am Rückenmark wirkende) Baclofentherapie mittels implantierter Spastikpumpe in Frage.

Diese Pumpen werden i. d. R. in einem neurochirurgischen Zentrum implantiert. Die Einstellung der optimalen Pumpendosis und die begleitenden Therapiemaßnahmen werden häufig nach Pumpenimplantation im Rahmen der stationären Rehabilitationsbehandlung durchgeführt. In schweren Fällen bereits länger bestehender oder sich schnell entwickelnder Spastik können auch orthopädisch-chirurgische Eingriffe, wie z. B. eine Sehnenverlängerung, eine Sehnendurchtrennung (Tenotomie) oder ein Einschneiden der Gelenkkapsel (Kapsulotomie) in einer unfallchirurgisch-orthopädischen Klinik notwendig und sinnvoll sein, vorausgesetzt auch im Anschluss an diese operativen Eingriffe ist durchgehend ein optimales Spastikma­nagement gewährleistet.

Besonders kostenintensive Maßnahmen zur Behandlung der Spastizität, wie die lokale Injektion von Botulinum Toxin als Therapie der Wahl bei der fokalen bzw. segmentalen Spastik sind nur möglich, wenn zumindest ein Teil der entstehenden Kosten vom zuständigen Kostenträger übernommen werden, da diese Behandlung nicht durch die bestehenden Tagessätze abgedeckt ist. Zur qualifizierten Botulinum Toxin Therapie besteht eine Zertifizierung durch den Arbeitskreis Botulinum Toxin der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN). Sowohl in der Behandlung der Spastizität mittels Botulinum-Toxin, als auch mit  Baclofenpumpen, liegt eine jahrelange Expertise vor.

Einmal wöchentlich wird eine interdisziplinäre Tonusteamvisite von einem in der Therapie der Spastizität erfahrenen Arzt, einer Physiotherapeutin und einer Ergotherapeutin durchgeführt, in der Rehabilitanden mit Spastizität bedarfsweise vorgestellt und gemeinsam untersucht werden können. Im interdisziplinären Team werden mögliche Optionen zur Therapieanpassung mit jeweiligen Therapiezielen gemeinsam mit dem Rehabilitanden besprochen und dieser aufgeklärt. Das Ergebnis der Tonusteamvisite wird in der elektronischen Patientenakte dokumentiert und fließt in den Rehaentlassungsbericht ein. Im Falle einer Kostenübernahme durch den zuständigen Kostenträger nach vorherigem Antrag und Sicherstellung einer Fortsetzung der Therapie heimatnah kann sinnvollerweise noch während des Rehabilitationsaufenthaltes eine sonographisch kontrollierte eine erste lokale Botulinum Toxin Behandlung nach vorheriger schriftlicher und mündlicher Aufklärung des Rehabilitanden begonnen und durchgeführt werden. Dem Rehabilitanden werden in diesen Fällen zur erforderlichen Weiterbehandlung heimatnahe Spezialambulanzen genannt. Alle 10 bis 12 Wochen ist nach Abklingen des Botulinum Toxin Effekts auf die Spastizität eine erneute lokale Injektionsbehandlung erforderlich.